Adolf Goldberg

„Musiker, evangelisch“

geb. 9.1.1871 / gest. 19.1.1943

Adolf Goldberg wurde am 9. Januar 1871 „nachmittags 1 Uhr“ mit Hilfe der Hebamme Elise Weskampe als Sohn des Schlachters Meyer Goldberg[1] (32 J.) und seiner Frau Lisette (30 J.) geboren. Beim Standesamt wurde er am 13. Januar 1871 als „Israelit“ eingetragen [2]. Sein Elternhaus stand in der Waller Chaussee 21 [3] (heute: Waller Heerstraße). Die Eltern zogen später in die Waller Chaussee 25 und 1893 in die Waller Chaussee 10. Im Jahre 1900 wird aus dem „Schlachtermeister“ ein „Privatmann“, das Rentnerpaar zieht in die Utbremer Str. 135 und 1901 in die Utbremer Str. 50 3. 1907 starb der Vater und die verwitwete Mutter zog in die Landwehrstr. 102 3

Waller Heerstr.21 heute (Nachkriegsbau)

Adolf Goldberg wohnte als junger Mann zeitweise in Grambke und ab 1904 in der Hansastraße 117 (Doventorsvorstadt). Am 9. April 1908 heiratete er Johanna Buck, Tochter des Maurers August Buck und dessen Frau Dorothee, und zog mit ihr in die benachbarte St. Magnus Str.1133. Es ist zu vermuten, dass ihre Ehe auch kirchlich geschlossen und Adolf Goldberg vorher christlich getauft wurde,denn auf der Einwohnermeldekarte von 1930 sind beide Eheleute als „evangelisch“ vermerkt[4].



                                                                 Einwohnermeldekarte von 1930


Kirchenbucheintragungen der Trauung oder Taufe von Adolf Goldberg sind nicht aufzufinden, weil die Gemeindezugehörigkeit in der Doventorsvorstadt unklar ist (vermutlich St. Stephani) und zudem etliche Kirchenbücher den Zerstörungen und Wirren des 2. Weltkriegs zum Opfer fielen.

Das Ehepaar zog 1911 in die Hansastr.159, dann 1913 in die Hansastr.140 und 1915 in die Kölner Straße 70. Am 22. Juli 1932 verstarb Adolfs Goldbergs Frau Johanna 68-jährig. (ein Jahr vor ihrer Silberhochzeit und auch vor der nationalsozialistischen Machtergreifung). Adolf Goldberg war damals 61 Jahre alt. Die späte Ehe war kinderlos und so blieb er als Witwer alleinstehend zurück. Nach einem Vermerk der Einwohnermeldekarte ging der Musiker am 3. Mai 1938 mit 67 Jahren in Rente. Er war zuvor noch für 4 Monate am Gröpelinger Deich 86 und dann ab 2. Mai 1938 in der Wacholderstraße 27 wohnhaft3 4 [5].

Auf Grund der Verschärfung der Rassengesetze durch die Nazis musste Adolf Goldberg ab 1. Februar1939 den zweiten Vornamen „Israel“ führen, obwohl er „laut Mitteilung der Evangelischen Kanzlei getauft“ war. Als Begründung für die Namensänderung trägt seine Einwohnermeldekarte den Vermerk „4 Großelternteile Jude4 (siehe Abbildung).

Schildstraße 1-2 (Ecke Luisenstraße, gegenüber dem „Lagerhaus“)         Historische Postkarte der Bremer Blindenanstalt                             

Als alleinstehender alter Mensch und ausgegrenzter Christ jüdischer Herkunft verließ Adolf Goldberg 70-jährig seinen heimatlichen „Bremer Westen“ und zog am 15. August 1941 in die Enge des Bremer Ostertorviertels, nämlich in die Schildstraße 2 und zwei Monate später in das Haus Nr.1. Diese beiden Häuser gehörten dem bremischen Blindenverein4, welcher darin Wohnungen für Blinde und Sehbehinderte unterhielt und im Innenblockbereich zur Luisenstraße und zum Sielwall (Begegnungsstätte des Blindenvereins) Werkstätten für Blinde betrieb. Das Stuhl- und Korbflechten sowie Bürstenmachen war seinerzeit eine Domäne der Blinden. (1934 waren z.B. von den 9 in der Schildstraße 1-2 gemeldeten Bewohnern 4 als „Bürstenmacher“ angegeben, im gegenüber liegenden Hause Schildstraße 7 war die „Bürstenwarenhandlung Pflug“3).

Adolf Goldberg war auf Grund seines Alters und seines Gesundheitszustandes der Arbeit in der Blindenanstalt bald nicht mehr gewachsen und zog am 14. Februar 1942 in das „Jüdische Altersheim“ in der Gröpelinger Heerstr.167 4. Kaum ein halbes Jahr später wurde ihm mit Schreiben vom 23. Juli 1942 mitgeteilt,

 „dass in Kürze der Abtransport sämtlicher in Bremen, Wesermünde und im Reg. Bez. Stade lebenden Juden – außer den noch bestehenden Mischehen – nach Theresienstadt vor sich geht. (...) Wir bitten Sie, mit größter Ruhe Ihre Vorbereitungenzu treffen und über die Abwanderung nicht mit

der deutschblütigen Bevölkerung zu sprechen, vor allem ist es untersagt, bei außenstehenden Kreisen irgendein Mitleid zu erzeugen.“ [6]

Ehem. Jüdisches Altersheim in der Gröpelinger Heerstraße 167

Am 23. Juli 1942 wurde Adolf Goldberg im Alter von 71 Jahren im Sammeltransport VIII/1 mit Güterwaggons über Hannover nach Theresienstadt (Terezin) deportiert, zusammen mit 26 anderen Bewohnern des Altersheimes und 137 weiteren jüdischen Menschen aus Bremen. Davon haben 87 das Grauen des Durchgangslagers nicht überlebt.6

Adolf Goldberg bekam die Lager-Nummer VIII/1-654 und war in Gebäude L 505, Zi.04, untergebracht. Er lebte dort nur noch ein halbes Jahr und starb am 19. Januar 1943, 10 Tage nach seinem 72. Geburtstag. Der „behandelnde Arzt“ Dr. Friedrich Kisser attestierte als Todesursache „Marasmus Senilis“ (Altersschwäche). Die Totenbeschau wurde von Dr. Karl Bergmann durchgeführt, als „Ort und Stunde der Beisetzung“ ist im Lagerbuch „Theresienstadt am 21.1.1943 um 15 Uhr“ eingetragen[7]. Der Leichnam Adolf Goldbergs wurde im benachbarten KZ Leitmeritz (Litomĕřice) verbrannt, seine Asche lagerte bis Ende 1944 in einer Pappschachtel im „Kolumbarium“ der Festungsmauer von Theresienstadt. Kurz vor Kriegsende wurde sie von der SS in die Eger gekippt, zusammen mit etwa 25000 anderen[8].

Eine Wiedergutmachungsakte über Adolf Goldberg existiert nicht[9], d.h. er hatte keine (überlebenden) Verwandten. Er ist auch in der neueren Literatur über Bremer Christen jüdischer Herkunft nicht erwähnt.[10]

Gedenktafel am Kolumbarium der Stadt Terezin


Was für ein Musiker war Adolf Goldberg?

„Musiker“ ist die stete Berufsangabe von Adolf Goldberg in den Adress-büchern3 und auf seiner Einwohnermeldekarte4. Mit Sicherheit gehörte er nicht zu den namhaften Vertretern seiner Zunft, denn in den einschlägigen Archiven und Standardwerken über das Bremer Musik-leben seiner Zeit findet sich keinerlei Eintrag unter seinem Namen.[11]  

Adolf Goldberg war also vermutlich einer der vielen „namenlosen“ Bremer Musiker, die sich „mehr schlecht als recht“ bei Hochzeiten, Familienfeiern, Tanzgelegenheiten oder vielleicht als Straßenmusiker ihren Unterhalt verdienten.

 

Mit einem „Stolperstein“ wollen wir Adolf Goldberg dem Vergessen entreißen, stellvertretend für Tausende namenloser Opfer des faschistischen Rassenwahns.

 

Recherche: Kurt Sommer und Wolfhard Willeke, 2006,  www.bremerchorwerkstatt.de



[1] In späteren Dokumenten ist der Vater als Schlachtermeister Meier Goldberg erwähnt

[2] Bremer Zivilstandsregister 1871, Mikrofilm (Staatsarchiv Bremen)

[3] Bremer Adressbücher, Mikrofilm (Staatsarchiv Bremen)

[4] Einwohnermeldekarte Adolf Goldberg, angelegt 1930 (Staatsarchiv Bremen)

[5] Alle diese Häuser und Straßen der Doventorsvorstadt (Nähe Europahafen) wurden im Krieg zerstört

[6] ‚Judendeportationen’ von Bremerinnen und Bremern...(Kleine Schriften des Staatsarchivs Bremen, Heft 36)

[7] Lagerarchiv Terezin (Theresienstadt)

[8] Gedenktafel am Kolumbarium der Stadt Terezin (Theresienstadt)

[9] sog.“Findbuch“ zu Wiedergutmachungsakten des Staatsarchivs HB

[10] K.L.Sommer „Lebensgeschichten und Schicksale Bremer Christen jüdischer Herkunft nach 1933“, 2006

[11] Klaus-Blum-Archiv und Helmut-Winter-Kartei im Archiv Deutsche Musikpflege Bremen e.V.